Im September 2024 wurden sieben ukrainische Kolleg:innen aus Lviv/Lemberg nach Zürich eingeladen, um sich während einer Woche auszutauschen und fachliche und persönliche Unterstützung zu erfahren.
Die Gäste waren fachlich spezialisierte Kolleg:innen (Psychiater:innen und Psycholog:innen) aus verschiedenen psychotherapeutischen Einrichtungen, die teilweise der Universität Lemberg angeschlossen sind.
Ihre Offenheit und Wärme, sowie ihr hohes professionelles Niveau beeindruckte uns sehr. Besonders interessiert waren sie an traumatherapeutischen Methoden und therapeutischen Herangehensweisen, die sie in ihrem therapeutischen Alltag umsetzen können.
Wir hatten ein intensives Programm für sie zusammengestellt, um ihnen Abwechslung, fachliche Anregungen und auch ein bisschen Erholung bieten zu können.
Besonders für den Chef-Psychiater der Uniklinik Lemberg war der Besuch im «Burghölzli» ein Höhepunkt (Eugen Bleuler hat in der Ukraine offenbar eine grosse Bedeutung) und der Besuch der Universität Zürich. Als weitere Aktivität fand ein Besuch in der Klinik Schützen statt, dort gab es auch die Gelegenheit für etwas Erholung und kulinarische Verwöhnung. Es folgte ein intensiver Tag in der Klinik im Hasel, denn unsere Gäste interessierten sich auch sehr für die Behandlung von Suchterkrankungen – ein Thema, das aufgrund der «Selbstmedikation» vieler Ukrainer:innen immer mehr an Bedeutung in der Ukraine zunimmt.
Zu Besuch im Burgölzli
Ein weiteres fachliches Angebot mit Fokus auf traumatherapeutische Interventionsmöglichkeiten war ein Besuch bei der Fachstelle für Kriegs- und Folteropfer in der Psychiatrischen Universitätsklinik.
Unsere Kolleg:innen aus der Ukraine sind selber fast alle psychoanalytisch ausgebildet, waren aber für andere therapeutische Ansätze sehr offen. So machten sie alle in einem Rollenspiel engagiert mit, als wir unseren familientherapeutischen Ansatz an einem Fall von ihnen im IEF zeigten. Auch die Vorstellung von gestalterischen Ansätzen fand grossen Anklang, da auch in ukrainischen Kliniken und Ambulanzen verschiedene Methoden zum Einsatz gebracht werden.
Wir führten immer wieder angeregte Diskussionen mit unseren Gästen und konnten sie und ihre Lebenswelt besser kennenlernen. Besonders beeindruckt waren wir von ihrer Resilienz und dem starken Zusammenhalt untereinander, sowie ihrer Fähigkeit mit der Doppelbelastung umzugehen selbst in der Kriegssituation zu leben und gleichzeitig schwer traumatisierte Menschen zu behandeln.
Von dieser Dauerbelastung unserer Gäste haben wir einen Eindruck erhalten, als eines vormittags die Kriegs-Realität unsere Kolleg:innen auch in Zürich heimsuchte: Ein durchdringender Ton aus einem der Handys ertönte plötzlich (jede:r Ukrainer:in hat die Alarm-App installiert) ein Bombenalarm für die Region von Lviv. Daraufhin versuchten natürlich alle schnell ihre Verwandten zu erreichen um zu sehen, ob und was passiert ist; man weiss nie, ob es ein Fehlalarm ist oder wirklich Gefahr im Verzug. Dieses Mal ist es gut gegangen – aber alle haben für 1-2 Stunden in Bange um ihre Lieben gelebt.
Neben der Möglichkeit, dass sie etwas Abstand zu ihrem Alltag nehmen und auch einmal schlafen konnten, war ihnen der Austausch und die Gespräche mit uns allen am wichtigsten. Sie konnten dadurch unsere Unterstützung und Loyalität spüren. «Dass wir nicht vergessen gehen ist ein so wichtiges Gefühl!» meinten sie immer wieder.
Am Ende der Woche waren aus den Begegnungen freundschaftliche Kontakte entstanden und der überzeugte Entscheid, dass wir weiter in Kontakt bleiben und auch unsere fachliche Zusammenarbeit aufbauen und intensivieren werden.
Unser Fazit war also durchweg positiv und wir planen für die Zukunft Folgendes:
- Einladung von ukrainischen Psychotherapeut:innen zu uns nach Zürich auch im 2025
- Weiterhin Angebote für fachlichen Austausch, Supervision etc. per Telefon, Video – und wenn möglich vor Ort.
- Aufbau und Intensivierung einer nachhaltigen Zusammenarbeit mit den Einrichtungen und Kolleg:innen in Lemberg z.B. in Form von gemeinsamen Weiterbildungen, Supervisionen, Tagungen etc.
- Wenn irgendwie möglich: Finanzierung einer Psychotherapeut:innen-Stelle in Lviv.
Wer diese Zusammenarbeit gerne unterstützen möchte:
Spendenkonto:
CH06 0900 0000 1644 7867 0
Systemis Ukraine Hilfe
8400 Winterthur
Personen, die sich gerne aktiv am Projekt beteiligen möchten, können sich gerne per E-Mail melden: dr.starke@hin.ch
Mein besonderer Dank gilt allen, die tatkräftig mitgeholfen haben, dass diese Woche durchgeführt werden konnte. Und all den Menschen wie auch der Stadt Zürich, die (z.T. sehr grosszügige) Spenden geleistet haben, sowie dem IEF und unserem Dachverband Systemis. (Besonders gerührt hat mich eine sehr grosse Spendensumme, die ein Kollege uns zur Verfügung stellte, indem er auf seinen Jahresurlaub verzichtet hat!)
Nur so konnten wir das ganze Projekt überhaupt durchführen-herzlichen Dank!
Oder wie Alexander – der Chefpsychiater der Klinik Lviv es ausgedrückt hat: Wir finden nicht genügend Dankes-Worte: diese Reise war wie die Erfüllung eines Traumes. Wir haben uns bei Euch so wohlgefühlt wie in einem Lemberg in Friedenszeiten!
Claudia Starke,
Systemische Lehrtherapeutin, Psychiaterin und Leiterin des Projektes