Ende der Diskriminierung?

Bis Ende Februar 2019 sammelt die Föderation der Schweizer PsychologInnen (FSP) Unterschriften für eine Petition an den Bundesrat. Systemis unterstützt diese Petition. Sie fordert die Einführung des sogenannten Anordnungsmodells unter dem Titel „Hürden abbauen – Behandlung psychischer Krankheiten sicherstellen“. Um sie zu unterschreiben, muss man weder Fachperson sein noch volljährig noch Schweizer BürgerIn.

Wer unterschreiben und/oder Unterschriften sammeln möchte, hat drei Optionen:

  • Direkte Teilnahme online
  • Ausdrucken von Unterschriftenbögen online
  • Bestellung von vorfrankierten Unterschriftenbögen, welche per Post zugstellt werden

All dies ist möglich auf dieser Seite der FSP (Achtung: z.T. gut versteckt weit unten).

Hier findet sich auch einleitend der Petitionstext sowie ein instruktives und professionell gemachtes Video (Youtube).
.

Worum es geht

Das Anordungsmodell bedeutet: Psychotherapie soll von der Grundversicherung übernommen werden, wenn sie von einer nicht-ärztlichen Fachperson mit  eidgenössischer Anerkennung durchgeführt wird. Diese Person kann selbstständig und auf eigene Verantwortung arbeiten und muss nicht mehr wie heute von einem Arzt oder einer Ärztin angestellt sein. Nur die Indikation wird von einem Arzt oder einer Ärztin gestellt („Anordnung“).

Heute können hochqualifizierte eidgenössisch anerkannte PsychotherapeutInnen, in der Regel PsychologInnen, nur über Grundversicherung abrechnen, wenn sie von einem Arzt oder einer Ärztin angestellt sind („Delegation“). Dies ist aus mindestens zwei Gründen zu kritisieren:

  1. Führt es zu Versorgungsengpässen. Patienten, insbesondere auf dem Land sowie Kinder und Jugendliche, müssen zu lange auf eine Behandlung warten.
  2. Die gegenwärtige Praxis ist für einen ganzen hochqualifizierten Berufsstand diskriminierend.

Ein ausführliches Argumentatorium findet sich auf der Website der FSP.

Im März 2018 teilte das Bundesamt für Gesundheit BAG überraschend mit, dass es  seine Arbeiten am Anordnungsmodell sisitiert. Dies führte in der Psychologenschaft zu einem heilsamen Schock. Bisher stets bereit, still zu halten und auf wohlwollende Verhandlungen hinter den Kulissen zu setzen, gehen die PsychologInnen jetzt in die Offensive, mittels professioneller Lobbyarbeit Hand in Hand mit der Politik.
.

Es geht vorwärts – wachsam bleiben

  • In der Herbstsession des Nationalrates wurden vier Intererpellationen zur Aufnahme der psychologischen Psychotherapie in die Grundversicherung eingereicht.
  • Am 16. November 2018 übergaben vor dem Bundeshaus in Bern rund sechzig psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten einem Vertreter von Bundesrat Berset über 3‘600 persönliche Briefe.
  • In Neuenburg und Bern sammelten PsychotherapeutInnen am 19. Dezember öffentlich Unterschriften für die Petition der FSP.

Die Reaktion der Verwaltung blieb nicht aus. Auf die Interpellation der Nationalrätin Irène Keller antwortet der Bundesrat schon am 21. November, es erscheine
„die aktuelle Regelung nicht mehr angemessen. Die Arbeiten zu einem alternativen Modell, welches die Verbesserung der Versorgungsqualität und die Vermeidung von Mengenausweitung beinhaltet, sind im Gange. Nächste konkrete Schritte sind für das Jahr 2019 geplant.“

Es scheint wieder vorwärts zu gehen. Seien wir also gspannt, aber seien wir auch wachsam. Das obige Zitat kann auf verschiedene Weise gelesen werden. Der entscheidende Punkt ist die Frage, wie  eine Mengenausweitung vermieden werden soll. Hat der Bundesrat tatsächlich (nur) das Anordnungsmodell im Auge, welches ja von den PsychotherapeutInnen und nicht von der Verwaltung vorgeschlagen wurde? Oder denkt man an (zusätzliche?) Rationierungsmassnahmen wie sie etwa in Deutschland betrieben werden? Dort können PsychologInnen zwar über die Grundversicherung abrechnen, die Anzahl der bewilligten Praxen ist aber streng kontingentiert und die Bedingungen für die Führung einer Praxis massiv bürkokratisiert. Derartigen planwirtschaftlichen Modellen müsste in der Schweiz entschieden die Stirn geboten werden, sollten sie als Preis für eine Aufnahme in die Grundversicherung verlangt werden. Sie sind weder im Interesse der PatientInnen noch in dem der PsychotherapeutInnen.

David Trachsler

Die Föderation Schweizerischer PsychologInnen und Psychologen (FSP) besteht aus 48 Gliedverbänden. Einer davon ist unsere Systemis-interne „Fachgruppe FSP-Psychologinnen und -Psychologen“.
Mitglied bei der FSP kann nur sein, wer auch in einem solchen Gliedverband Mitglied ist. PsychologInnen können also via Systemis FSP-Mitglied werden.

Beiträge zum Anordungsmodell finden Sie auch in unseren Systemis-Bulletins von Mai 2014 und Januar 2016.