Was wurde in den letzten Wochen nicht alles spekuliert und mit Bezug auf partnerschaftliche und familiäre Konflikte dramatisiert. Erste Studien machen nun deutlich, dass unter gemeinsam zu bewältigendem Druck (familiäre) Bindungen halten und Ressourcen freigelegt werden. Das ist ein ermutigendes Zeichen.

Dass unter dem Lockdown auch schwere depressive Symptome und Ängste (insbesondere bei entsprechender Vorerkrankung) zugenommen haben, ist genauso ernst zu nehmen. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass daran nicht nur durch die erzwungene Isolation, sondern vor allem auch der mediale Hype mit laufend aktualisierten Daten und bildgewaltiger Sprache seinen Anteil hat. Gegen diese Form von «Angstmacherei» anzutreten, wäre eigentlich Sache der Experten, der Psychiaterinnen und Psychologen. Gut möglich, dass hier eigene Ängste, Solidarität den Schutzmassnahmen gegenüber oder die Angst, als «Corona-Lügner» abgestempelt zu werden, ein Rolle gespielt haben.

Zu wünschen wäre nun aber, dass in den kommenden Wochen darüber aufgeklärt wird, was die Resilienz und das Immunsystem stärkt, anstatt unter verängstigtem Blick nur auf Gefahren hinzuweisen und sorgenvoll und gebannt auf die nächste Welle zu warten. So könnten Fachleute, Medienschaffende und Politiker über den Lockdown hinaus «Systemrelevanz» gemeinsam zum Ausdruck bringen.

Leserbrief im „Bund“ (26.05.2020) von Martin Rufer, Bern, eidg. anerkannter Psychotherapeut, Mitglied von Systemis