– von Anna Beer.

„Machen ist wie wollen, nur krasser“. Ganz nach diesem Motto mache ich den Auftakt zu unserer Serie „Aus dem Nähkästchen“. Die Idee ist, dass verschiedene Mitglieder von Systemis ihren Arbeitsalltag, ihre Lieblingsmethoden oder ihre Lieblingsanekdoten vorstellen. So lernen wir einander und auch die Vielfalt systemischer Arbeitswelten besser kennen.

Also setze ich mich hin und gehe mal zuerst in einen Austausch mit meinem inneren Team.
„Tu’s nicht, du exponierst dich und das ist gefährlich“, sagt meine Unsicherheit.
„Nun mach schon, machen ist wie wollen, nur krasser“, sagt meine Antreiberin.
„Was hast du schon zu sagen“, sagt meine Kritikerin.
„Ich finde, du hast durchaus was zu bieten“, sagt mein Selbstvertrauen.
„Oder doch lieber Fussball schauen?“, sagt meine Selbstfürsorge.
„Ich sehe da einen inneren Konflikt“, sagt meine Beobachterin, die es sich auf der Metaebene bequem gemacht hat.

So sitze ich also hier, überlege, ob ich ein wenig aus meinem Nähkästchen plaudern soll, und merke, dass ich schon mittendrin bin. Eine meiner Lieblingsmethoden ist die Ego-State-Therapie. Die Arbeit mit verschiedenen inneren Anteilen, oder eben States, die idealerweise als Team fungieren, im Sinne eines inneren Dialoges, und nicht selten miteinander in Konflikt stehen. Ganz ähnlich wie wir es bei Paaren, Familien oder Teams beobachten. Ganz systemisch eben.

Anhand der Exploration von Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen, Bildern oder ähnlichem ergründe ich die verschiedenen Ego States, die im Leben meiner Klient*innen relevant sind, respektive für das Entstehen einer Problematik und für deren Lösung eine Rolle spielen. Sind die verschiedenen States mal erkannt oder benannt, können sie miteinander in Kontakt gebracht werden. Ziel dieser Methode ist es nicht, dass die „ressourcevollen“ States bemächtigt werden und die „symptomassoziierten“ States verschwinden sollen. Vielmehr gehen wir davon aus, dass fast jeder State ursprünglich adaptiv war. Wenn wir ihn kennenlernen, bereit sind, ihn wahrzunehmen, und uns trauen, ihn zu fragen, wofür er im Leben einer Person zuständig ist, kann ein respektvoller und wertschätzender Zugang zu ihm geschaffen werden. Dadurch wird es meist auch möglich, symptomassoziierte oder destruktiv wirkende Ego States in eine Kooperation zu bringen, sofern wir uns auch um ihre Bedürfnisse kümmern. So kann es etwa sein, dass die Perfektionistin gelernt hat, dass es absolut zentral ist, immer die Kontrolle zu haben und dass ich diese nur haben kann, wenn ich alles perfekt mache. Wenn mir das dann nicht gelingt, kommt meine Kritikerin und macht mich zur Schnecke. Sagt mir, ich sei sowieso unfähig. Dies sagt sie mir aber allenfalls gar nicht, weil sie das wirklich denkt, sondern weil sie meint, mich so zu besseren Leistungen motivieren zu können. Dass mich das aber überhaupt nicht motiviert, sondern eher blockiert, das gilt es ihr dann erst mal klarzumachen. Wenn es mir also gelingt, ihr aus meinem gesunden oder beobachtenden Kern zu sagen, dass ich ganz froh bin, dass sie sich so für meine Motivation einsetzt und sich um mich kümmert, dass für mich jedoch die Art, wie sie dies tut, hinderlich ist, können wir in einen konstruktiven Dialog kommen. Meine Beobachterin kann ihr sagen, was sie braucht, um sie auf eine konstruktive Art wahrzunehmen und meine Kritikerin kann meiner Beobachterin sagen, was sie braucht, um ihr zum Beispiel besser vertrauen zu können.

Oft realisieren die verschiedenen States erst durch diese Arbeit, dass sie eigentlich alle dasselbe Ziel haben, nämlich eine Person glücklich zu machen, dass sie aber komplett verschiedene Herangehensweisen an dieses Ziel haben und dadurch ein Machtkampf entsteht. Und so arbeiten wir dann daran, diesen Machtkampf in eine Zusammenarbeit für die Klient*innen zu verwandeln.

Auch im Mehrpersonensetting empfinde ich diese Methode als wahnsinnig hilfreich. Wenn nämlich beispielsweise eine Klientin weiss, dass gewisse Situationen oder Verhaltensweisen dazu führen, dass sich ein Ego State ihrer Partnerin in den Vordergrund drängt, und dass das Erscheinen dieses States bei ihr selbst einen State auf die Bühne holt, der in dieser Situation also wirklich alles andere als hilfreich ist, kann das Paar lernen, sich über diese Dynamiken bewusst zu werden und in ebendiesen Situationen anders zu reagieren. Hier geht es dann darum, die verschiedenen Ego States des Paares aus einer neutralen Position in Kontakt zu bringen und mit den verschiedenen States der zwei Personen zu arbeiten. Da dies durchaus kompliziert werden kann, visualisiere ich diese Interaktionen im Normalfall, sei es am Whiteboard, mit Stühlen oder anhand von Holzfiguren.

Wer noch mehr über Ego States erfahren möchte, dem empfehle ich dieses kurze Video:

https://www.youtube.com/watch?v=-I3Pk708eq4

Zu meiner Person: Anna Beer, 39-jährig, psychologische Paar- und Psychotherapeutin in eigener Praxis. www.anna-beer.ch