An der Mitgliederversammlung vom 2. April hatten wir aus aktuellem Anlass und recht spontan einen Workshop zum Thema „Hilfe in Kriegszeiten und für Geflüchtete“ angeboten. Dieser ist aus einer Zusammenarbeit von Systemis mit systemischen Instituten der Schweiz entstanden. Im Blogbeitrag über die Mitgliederversammlung haben wir bereits darauf hingewiesen.

Auf Grund des grossen Interesses und zur Stärkung dieses Projektes möchten wir uns nun an Sie wenden.

Die Ausgangslage

Bislang sind bereits über 4 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine in Europa angekommen. Die Taskforce Schweiz geht davon aus, dass diese Zahl in den nächsten Monaten auf über 10 Millionen Personen ansteigen wird. Auch die Schweiz wird in einen europäischen Verteilerschlüssel mit einbezogen werden, es sind 300’000-500’000 geflüchtete Personen in der Schweiz zu erwarten.

Das Besondere an dieser Flüchtlingswelle ist, dass sie einen deutlich höheren Prozentsatz an Kindern, Frauen und älteren Menschen aufweist als bisherige Flüchtlingsbewegungen (z.B. in der Kaserne Bülach befinden sich 2/3 Kinder!).

Die Hilfsbereitschaft ist gross und die Asyl- und Auffangzentren, Flüchtlingshilfen sowie viele andere Helfersysteme arbeiten auf Hochtouren.

Auch wurde eine Taskforce Schweiz gebildet, die dabei ist, eine zentrale Organisation und Koordination von Angeboten aufzubauen, damit ein gezielter Einsatz von Fachpersonen und Ressourcen gewährleistet werden kann. (siehe Anhang unten)

Die Gastfamilien und Helfer:innen

Die aktuelle Situation ist angespannt, die Helfersysteme am Anschlag. Damit die Helfer:innen sich nicht überfordern und nicht „ausbrennen“ ist es wichtig, auch sie zu unterstützen.

Die Taskforce macht sich grosse Sorgen um die Gastfamilien, die schnell in Vergessenheit geraten und bereits mit heftigen Problemen konfrontiert sind, die zu noch grösseren psychischen Belastungen aller Beteiligten führen.

Hauptsächlich entstehen die Probleme durch

  • Hohe Erwartungen der „Gasteltern“ an sich selbst -> Erschöpfung des good will
  • Enttäuschte Erwartungen (Geflüchtete sind eben nicht nur dankbar – und so anders!)
  • Wenig Rückzugsmöglichkeiten in der eigenen Wohnung
  • Konfrontation mit Erzählungen der leidenden Geflüchteten, Unmengen an grauenvollen (teils live) Videos und Fotos, die ihnen gezeigt werden… auch die Kinder werden nicht verschont (cave: Tiktok!)

Dadurch kann es zu sekundären Traumatisierungen kommen, einerseits bei den Gastfamilien und andererseits bei den Geflüchteten selbst, die teils auf Grund dieser Probleme die Gastfamilie wieder verlassen müssen, wodurch ihre massive Verunsicherung weiter erhöht wird.

Nun haben wir die Idee der Taskforce aufgenommen, ob wir uns um einen Beitrag zur Unterstützung der Gastfamilien kümmern könnten.
Als systemische Berater:innen und Psychotherapeut:innen sind wir die Fachpersonen, die sich dieser Aufgabe annehmen können.

Unser Anliegen

  • Wir suchen Personen, die interessiert sind, sich an der weiteren Konzeptualisierung und Durchführung eines Angebotes für Gastfamilien und Helfer:innen zu beteiligen (z.B. Gruppentreffen mit Gastfamilien, geleitete Selbsthilfegruppen, Info- und Austauschgruppen für Gastfamilien mit ihren „Gästen“ etc.) und dafür auch freie Ressourcen haben.
  • Wir suchen auch Personen mit Erfahrung in der Arbeit mit Geflüchteten und den entsprechenden Helfer:innensystemen zum Erfahrungsaustausch und zur Begleitung in der Entwicklungsphase.
  • Wir suchen Personen, die interessiert sind an einem interprofessionellen Netzwerk im Sinne von Intervision oder ähnlichem.

Die Einschränkung

Ebenso wichtig wie unsere Unterstützung ist aber auch unser Selbstschutz, aus diesem Grund ist es uns wichtig, dass sich niemand verpflichtet fühlt, eine Aufgabe zu übernehmen respektive im Prozess zu behalten, die er oder sie nicht (mehr) tragen mag.

Gerne stellen wir Ihnen allen – egal ob Sie im Projekt mitwirken oder es für Ihre Praxis gebrauchen können – Material auf der Homepage von Systemis zur Verfügung.

Bei Interesse an einer Mitwirkung in diesem Projekt, melden Sie sich bitte bei Anna Beer mit ein paar Sätzen, in welcher Form/Rolle Sie gerne involviert werden möchten.

Auch für Ihre Rückmeldungen und Gedanken sind wir offen und dankbar.

Claudia Starke und Anna Beer
.

Anhang:

Geplante Hilfsangebote der Taskforce

Kooperation und Koordination auf Bundesebene – Zusammenarbeit mit BAG, Kantonen, Gemeinden, IKRK , FMH, Instituten, Dachverbänden etc.

  • Regelung wann Kanton, wann Gemeinde wofür zuständig ist usw.
  • Praktische Beratung – in Rechtsfragen, wer wofür zuständig ist
  • Bereitstellen von Übersetzer:innen
  • Therapieangebote aufnehmen und offizielle Registrierung
  • Hotlines
  • Koordination von Ressourcen
  • Entwicklung eines evidenzbasierten Screenings, welche Hilfe für Geflüchtete nötig ist
  • Erstversorgung und Festlegen von Rahmenbedingungen

Geplant ist ein Abgestuftes Versorgungsmodell:

  1. Psychosoziale Beratung
  2. PM+ (für Erwachsene) und EASE (Kinder und Jugendliche) für subklinische Probleme und leichtere Anpassungsstörungen (gemäss WHO)
  3. Durchführung durch geschulte „Laien“, sogenannten Helpers, im Gruppenformat
  4. Für umschriebene Traumafolgestörungen: Kurzschulungen (Online-Kurse plus Präsenztag) in NET (für Erwachsene) und Tf-KVT (für Kinder) begleitet mit zentraler Supervision
    .
    Für Kinder
  1. Präventionsprogramm PM+ (resp. im Kinderbereich EASE) der WHO
    -> Interessierte können sich bei Herrn Naser Morina Afk melden und anfragen, ob noch Trainer:innen gesucht werden (naser.morina@usz.ch).
  2. Schulung/Nutzung der Tf-KVT
    Gute Evidenz, Online-Fortbildungsangebot, welches um 1-2 Tage „Life-Fortbildung“ ergänzt werden könnte.
    -> TF-KVT Online-Training für Therapeut:innen (tfkvt@ku.de)
    Kontaktperson: Barbara Kasparik, Koordination von Supervisions-/Intervisionsgruppen