Am 15. Mai ist der Internationale Tag der Familien. Daher spreche ich Sie, liebe systemische Psychotherapeuten und Beraterinnen, als systemorientierte respektive familienorientierte Fachpersonen an, die über die Fähigkeit verfügen, im Mehrpersonen-Setting zu arbeiten. Gerade in Zeiten von Homeoffice und Fernunterricht hat die Nachfrage nach beziehungsunterstützenden Gesprächen in der Praxis zugenommen. Das ist gut so!

Wurde in den Anfängen der Systemik in den 80er Jahren noch das Problem in der Familie gesucht (es gab da ein Buch „Patient Familie“ von Horst-Eberhard Richter), wird heute die Familie als Ressource einbezogen und angesehen. Primäre Bindungen sind die Lernmatrix für Emotionen und im Körper verankert. Deshalb können sie gerade in menschlichen Krisen der Ort der ‘Heilung’ sein. Das Konzept von sicherer Basis und sicherem Hafen ist dabei zentral: Menschen explorieren von einer sicheren Basis aus, – geraten sie in Not/werden sie unsicher, kehren sie zur Bindungsperson zurück, welche als sicherer Hafen Trost, Schutz und Wohlbehagen vermittelt. Die Bindungstheorie von Bowlby und Ainsworth und neuere Arbeiten von Grossmann & Grossmann oder Liechti & Liechti erläutern dies eindrücklich. Einmal verstanden, gab mir diese Sichtweise einen ganz neuen Zugang zu familientherapeutischen Sitzungen. Meine Aufgabe ist einzig, den Zugang zu Bindungsressourcen wieder zu ermöglichen, um hilfreich zu sein – zu viel Intervenieren kann hinderlich sein. Das gibt in meiner Wahrnehmung der Familie (in all ihren Erscheinungsformen) eine neue Wichtigkeit. Deshalb ist mir eine Aufwertung der Familie als Ressource einerseits für Entwicklung (Exploration) wie auch für Schutz und Trost in Krisen so wichtig. Und deshalb propagiere ich am Tag der Familie, dass familientherapeutische Dienstleistungen als Unterstützung zur Aufwertung der Familie eingesetzt werden. Hier können wir Gutes bewirken und auch öffentlich darüber sprechen.

Weiterführend finden Sie hier einen Artikel, der in der Fachzeitschrift des SKJP (Schulpsychologie) erschienen ist.

Liebe Grüsse

Markus Grindat
Zentrum für systemische Therapie & Beratung Bern und ehemaliger Präsident von Systemis